Mit «Demontage eines Politikers» legt der Churer Autor Robert Vieli seinen dritten Krimi vor. Die Geschichte um den Tod der Gattin eines Bündner Nationalrats ist spannend, sprachlich liest sich der Text jedoch unnötig schwerfällig.

Von Abraham Gillis, Bündner Tagblatt

Ein parteiunabhängiger Nationalrat für Graubünden? Alleine schon wegen dieses waghalsigen Gedankenexperiments liest sich Robert Vielis neuer Kriminalroman «Demontage eines Politikers», der im Mai erschienen ist, spannend. Denn eine Wahl ohne Partei im Rücken ist im von parteipolitischen Machtverhältnissen geprägten Kanton fast undenkbar. In kompakten Kapiteln mit kurzen Abschnitten erzählt der 79-jährige pensionierte Churer Arzt und Autor die Geschichte des parteilosen Bündner Bundesparlamentariers Isidor Eichhorn und dessen ermordeter Gattin. Szene für Szene, Gespräch für Gespräch, ja fast schon Gedanke für Gedanke lässt Vieli die Leserinnen und Leser seinem Churer Kommissar Jonas Fürbass bei den Mordermittlungen über die Schulter schauen. Gerne begleitet man den älteren, etwas unwirschen, aber durchaus sympathischen Ermittler auf seiner Spurensuche durch die Stadt Chur bis ins Schanfigg.

Verstaubtes Vokabular

Im Gegensatz zum systematischen Spannungsaufbau des Romans wirken Vielis Formulierungen immer wieder bemüht. «Wobei er allerdings von ihrer anziehenden Weiblichkeit nicht unberührt blieb», heisst es zum Beispiel. Hinzu kommt ein Vokabular mit Ausdrücken wie «Verworfenheit» oder «Abendschoppen», die wie aus einer anderen Zeit zu stammen scheinen. Mit einem einfachen erzählerischen Kniff hätte diese Ausdrucksweise als Stilmittel eingesetzt werden können, um Fürbass besser zu charakterisieren. Wenn nur der ältere Kommissar sich so ausdrücken würde, ginge das Hand in Hand mit seiner etwas angegraut-kultivierten Art. Was Vielis Kriminalroman lesenswert macht, ist der spannende Plot. Häppchenweise erfährt der Leser Hintergrundinformationen aus dem Umfeld der toten Nationalratsgattin, ihrem Mann und zahlreichen weiteren Charakteren. Stück um Stück wird nicht nur aufgeklärt, sondern auch die Tote gefunden – in Form von Leichenteilen im und ums Schanfigg. Dabei muss die Arosa-Linie sogar einen Sonderhalt einschalten, damit die Beamten dort ihrer Arbeit nachgehen und den Schädel bergen können.

Eindrücklicher Fall Eichhorns

Besonders eindrücklich sind die Szenen, in denen der politische Fall Eichhorns geschildert wird. Hand in Hand mit den Mordermittlungen demontiert dieser sich selbst. Zum Beispiel schon zu Beginn während einer Parlamentssession in Bern. «Eichhorn redete wie ein Wasserfall. Doch auf Geheiss des Präsidenten näherte sich ein Saaldiener seinem Platz. In der Hand hielt er eine Schere. Kurzerhand durchschnitt er das Kabel an Eichhorns Mikrofon. Dieser lächelte, unbeirrt vom Beifall des Rats, der nicht ihm, sondern dem Weibel galt.» Mit offenen Augen und scheinbar ohne es zu bemerken, rennt der Bündner Nationalrat in den Abgrund.
Eine Kontrastfigur des Kommissars ist sein Polizeikollege Casanova. Auf der einen Seite der angegrauten Zyniker Fürbass, dem «eine gemütliche Rundlichkeit […] nicht abzusprechen war». Und wie es sich für einen Kriminalkommissar à la Maigret gehört, lässt er sich gerne «eingehüllt vom Rauch seiner Pfeife» zu Spekulationen hinreissen. Auf der anderen Seite ermittelt Casanova, der als dünn, sehnig und «von Ausdauer zerfressen» beschrieben wird. In zahlreichen Auseinandersetzungen und Dialogen der beiden gelingt es Vieli, seine Protagonisten auszuloten. Doch der Streit zwischen den beiden artet nie aus und hat im Grunde genommen etwas Liebenswürdiges. Hier messen sich zwei, die sich wohlgesinnt sind. Grundsätzlich fällt auf, dass Vieli die Beschreibung der Abgründe seiner Figuren meidet. Ein rätselhafter Schluss Am Ende des Kriminalromans wartet ein überraschender, etwas offener Schluss, bei dem auch der Ermittler eine gewisse Lakonie entwickeln muss: «Auch Fürbass kannte seine Grenzen. Rätsel, die niemand lösen kann, legte auch er zu den Akten.»

«Demontage eines Politikers» von Robert Vieli, 304 Seiten, ISBN-Nr. 978-3-906064-20-8, erschienen im Südostschweiz Buchverlag.