In seinem neuen Krimi «Der Duft des Verbrechens» lässtRobert Vieli einen bärbeissigen Kommissar einem fastunbeweisbaren Verbrechen nachspüren.

Von Julian Reich, Bündner Tagblatt

Der Zahnarzt wars. Aber keine Angst, wer nun denkt, er könnesich mit diesem Wissen die Lektüre von «Der Duft desVerbrechens» sparen, liegt falsch. Spannend – und das soll einKrimi in erster Linie ja sein – ist Robert Vielis neuestePublikation trotz der frühen Erkenntnis, dass eigentlich nur dergefeierte Zahnspezialist über Motiv, Gelegenheit undSkrupellosigkeit für zwei – oder gar drei? – Morde verfügt.Spannend ist stattdessen, ob und wie Kommissar Hafner ihnüberführen kann.

Die seltsame Haushälterin

Denn der 1935 geborene Autor hat die Handlung so gestrickt,dass dem Kommissar zunächst einmal alle Spuren verborgenbleiben. Respektive, dass sie möglichst rasch beseitigt werden.Wäre da nicht die gutherzige Haushälterin BarbaraSantangelo, die dienstfertig die Leiche und das Schlafzimmerihrer Herrin säubert, bevor sie den Arzt verständigt, die Sachewäre um einiges einfacher gewesen. Nur bleiben nun keineverwertbaren Spuren mehr zu sichern. Eine Seltsamkeit imsonst stringent gebauten Roman ist diese Aktion ohnehin, gibtdie Haushälterin doch einige Seiten später zu, jeden TV-Krimizu schauen, der zu sehen ist – da sollte man doch wissen, dassein Tatort nicht geputzt und gewaschen gehört.

Das makellose Gebiss

Dem Kommissar obliegt es nun also, den Verdacht gegen denEhemann Manfred Luck, einen der Verschönerung der Gebisseseiner Kunden verschriebenen Schnösel, zu erhärten. Er beisstsich zunächst Zähne aus daran, denn der Mediziner verfügtnicht nur über einen gewieften Anwalt, sondern auch überRückendeckung aus Politik und Gesellschaft – man erkenntdie Personen an ihren makellosen Gebissen.Die Ermittlungen werden eingestellt, Hafner wird garsuspendiert. Doch bald stösst der von seinem Verdachtüberzeugte Kommissar auf ältere Ungereimtheiten aus LucksLeben. Seine erste Frau verschied ebenfalls verfrüht, dieEinäscherung wurde verdächtig rasch vollzogen. Und dieübereifrige Haushälterin, zu der der knorrige Kommissar baldeine gewisse Sympathie entwickelt, erinnert sich an einenDamenbesuch, den sie später als Leiche in der Zeitungidentifizierte. Der penetrante Duft des Parfums dieserProstituierten erweist sich als wichtiges Puzzleteil zur Lösungdes Falls.

Die unverortete Stadt

Vieli bevölkert seinen Krimi mit einigen scharfkantigenFiguren. Da ist der Gerichtsmediziner Rossini, mit dem sichder Kommissar jeweils in möglichst gekünsteltemOberlehrersprech übt. Der inkompetente Polizeichef Pult –einer mit geschönten Zähnen –, der sich vor allem durchseinen Wendehals auszeichnet. Oder die Sekretärin MarthaBraun, deren Gedächtnis besser ist als jede elektronischeDatenbank. Vieli lässt sich kaum zu längeren Beschreibungenseiner Szenen hinreissen, die Stadt, in der sich die Handlungabspielt, bleibt unverortet. Gut, es gibt einen Villenhügel, aberden gibt es in jeder Stadt. (Trotzdem wirbt der Verlag damitfür Leser, Krimis mit Lokalkolorit würden besonders gerngelesen.)

Überraschender Schluss

«Der Duft des Verbrechens» ist ein Krimi mit einem gutgestrickten Plot, der ohne viel effekthascherische Actionauskommt. Stattdessen geht der Ermittler geduldig undbeharrlich seiner Arbeit nach. Und der Schluss hält trotz allemeine Überraschung bereit. Das Motiv des Mörders könntevielschichtiger sein als zunächst erwartet.

Robert Vieli: «Der Duft des Verbrechens», SüdostschweizBuchverlag, 2011.